Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus soll Menschenrechtskongresszentrum werden

Cottbus / Chóśebuz, 5. Februar 2018. In einem Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Cottbus, Holger Kelch, hat das Menschenrechtszentrum Cottbus e.V. (MRZ) am vergangenen Montag für den Ausbau des Areals der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus als ein Menschenrechtskongresszentrum appelliert. Anlass für diesen Appell an das Stadtoberhaupt sind die gewalttätigen Ereignisse der letzten Wochen seitens einzelner Flüchtlinge und gegen Menschen mit Migrationshintergrund, fremdenfeindliche Demonstrationen, die zunehmende Radikalisierung und Intoleranz in Teilen der Bevölkerung und die damit bundesweit einhergehende negative Aufmerksamkeit für die Stadt. Seit einigen Jahren verfolgt das Menschenrechtszentrum die Idee des Menschenrechtskongresszentrums. Gerade jetzt sei aber der Zeitpunkt gekommen, an dem die Politik eine Antwort auf die gefährliche Entwicklung in der Stadt geben könne.
Abbildung oben: Blick aus einem Hafthaus des Zuchthauses Cottbus auf Fertigungsstätten, in denen die "DDR" politische Häftlinge für die Dresdner PENTACON Kamerawerke ausbeutete. Das Zuchthaus, heute Menschenrechtszentrum, wurde von früheren Insassen gekauft

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Flüchtlingen demokratische Werte vermitteln

"Es sollte nicht nur ein Zentrum sein, in dem wir als kleiner Verein Aufarbeitung des SED-Unrechts betreiben und von Menschenrechten sprechen. Es wäre ein Kongresszentrum, in dem Kongresse auch von Dritten zu ethischen, historischen, politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Themen rund um das große Thema Menschenrechte stattfänden. Dies könnte ein Mediziner-, ein Historiker-, Lehrer- oder ein Informatikerkongress sein. Die Grenzen der Ethik, der Medizin, der Geschichte, der Politik, der Technik, der Wirtschaft usw. berühren vielfach die Menschenrechte. Weil das MRZ ein authentischer Ort des früheren Unrechts ist, hat es für Veranstalter eine andere Bedeutung als ein modernes Hotelkongresszentrum. Cottbus ist zwar am Rande der Republik, aber im Zentrum Europas. Die Nähe zu Polen und zu den anderen ost- und mitteleuropäischen Ländern eröffnet uns viele Perspektiven, auch Besucher aus Ost- und Mitteleuropa für solche Kongresse zu locken", heißt es im Brief. Ein derartiges Menschenrechtszentrum könne jedoch nicht nur von Kongressen Dritter leben, vielmehr sollten zudem dauerhaft Flüchtlingen in Form von länger dauernden Programmen demokratische Werte vermittelt werden, denn die meisten von ihnen kämen aus Diktaturen oder autokratischen und nichtdemokratischen Staaten. Diese Programme wären ein gezielter Beitrag zur Integration der Flüchtlinge in unserer Gesellschaft.

"Es ist uns bewusst, dass ein Projekt dieser Größenordnung, das allein für die Sanierung und den Ausbau des Gedenkstättenareals 20 Millionen Euro benötigt, keine Aufgabe ist, die kurzfristig umgesetzt werden kann. Überzeugungs- und Lobbyarbeit bei Entscheidungsträgern, Anträge bei der Europäischen Union, beim Bund oder dem Land sowie das Einwerben von Spenden nehmen eine längere Zeit in Anspruch. Es müsste aber jetzt der Grundstein gelegt werden, wofür das entschiedene und konzertierte Vorgehen demokratischer Politiker erforderlich ist", erklärte die geschäftsführende Vorsitzende des Menschenrechtszentrums, Sylvia Wähling. Das bewusste Eintreten für die Menschenrechte könnte schließlich eines Tages zum Beinamen der Stadt als "Menschenrechtsstadt Cottbus" führen, die bereits aus der Geschichte ein schweres Erbe mit sich trägt. Das Frauenzuchthaus Cottbus war schon während der NS-Terrorherrschaft ein Gefängnis, in dem viele Widerständlerinnen inhaftiert gewesen sind. In der DDR war es eines der größten politischen Gefängnisse und die Stadt war die Bezirksstadt der DDR mit dem höchsten Anteil an Inoffiziellen Mitarbeitern der Staatsicherheit.

Das heutige Menschenrechtszentrum Cottbus, das ein eingetragener Verein von mehrheitlich ehemaligen Gefangenen des Zuchthauses Cottbus ist, ist ein einmaliges Projekt nicht nur in der Erinnerungslandschaft Deutschlands, sondern in der Welt. "Wo gibt es das sonst, dass ehemalige Häftlinge ihr Gefängnis kaufen, nicht um andere Menschen darin einzusperren, sondern um über Menschenrechte zu sprechen? Unser Projekt macht vielen Unterdrückten in der Welt Mut, dass das Unrecht besiegt werden kann", bemerkt Dieter Dombrowski, Vorsitzender des Vereins und ehemaliger Häftling im Zuchthaus Cottbus. Der Ausbau zu einem Menschenrechtskongresszentrum wäre ein bewusster Schritt der Stadt Cottbus, die Geschichte und die aktuellen Entwicklungen ins Positive umzukehren und nicht gegen etwas sondern für die Menschenrechte einzutreten.

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  • Quelle: red | Fotos: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 05.02.2018 - 06:30Uhr | Zuletzt geändert am 05.02.2018 - 06:52Uhr
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