Vom Widerstand der Gewerkschaften gegen die Nazis

Weißwasser / Běła Woda, 6. November 2013. Der Widerstand der sächsischen Gewerkschaften gegen nationalsozialistisches Gedankengut hat eine lange Tradition. Mit Hitlers "Machtergreifung" wuchs auch der gewerkschaftliche Widerstand gegen die Nazidiktatur. Eine Ausstellung in Weißwasser erzählt spannende Geschichten aus jener Zeit.

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Buschak: "Beitrag zur Kultur der Erinnerung"

Das Aus schien besiegelt. Nach dem Ermächtigungsgesetz von März 1933 hatten die Nationalsozialisten die Gewerkschaften offiziell zerschlagen. Die Angriffe der Nazis auf Gewerkschaften und Betriebsräte nahmen massiv zu. Mit dem Sturm von SA-Horden auf die Gewerkschaftshäuser im März erreichten sie einen Höhepunkt.

Besonders die Bautzner Gewerkschafter waren ihnen ein Dorn im Auge. Am 6. März 1933 probten sie dort - einen Tag früher als etwa in Dresden, Zwickau oder Zittau - die Besetzung des Gewerkschaftshauses des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) in der Dr.-Maria-Grollmuß-Straße. Mit den Worten "Ich gebe nichts heraus, was den Gewerkschaften gehört“, stellte sich ihnen der damalige sächsische ADGB-Vorsitzende Rolf Maaß in den Weg. Eine Menschenmenge vor dem Haus signalisierte Unterstützung. Die SA zog ab und kehrte zwei Tage später zu Hunderten zurück. Diesmal gelang die Besetzung, und Maaß wurde verhaftet. Den folgenden Festnahmen und Freilassungen entzog er sich durch Flucht mit seiner Familie in die Tschechoslowakei. In Deutschland organisierten Gewerkschafter unterdessen im Geheimen Widerstand gegen das Regime. In vielen sächsischen Regionen entstanden Anfang der 30er Jahre Widerstandsgruppen, die untereinander und mit dem Ausland Kontakte unterhielten.

Der Widerstand gegen rechts war Anfang der 1930er Jahres damals keineswegs völlig selbstverständlich. "1933 hielten viele Menschen den Nationalsozialismus noch für eine kurzfristige Angelegenheit. Die Gewerkschafter in Sachsen haben sich gegen die Machtergreifung der Nationalsozialisten zur Wehr gesetzt. Man blieb anfangs moderat und versuchte zunächst, nicht verboten zu werden“, analysiert Wissenschaftler Swen Steinberg von der Technischen Universität Dresden die Ereignisse. Er forscht seit zehn Jahren zu den Gewerkschaften in Sachsen.

Rudolf Maaß ging nach der Besetzung des Sudetenlandes mit seiner zweiten Frau Marie und Töchterchen Gisela, damals drei Jahre, nach London, wo er 1940 starb. Tochter Gisela lebt heute in Johannesburg in Südafrika. Die Geschichte ihres Vaters erfuhr sie erst im Zuge wissenschaftlicher Recherchen in jüngerer Zeit. Als ihre Stiefmutter starb und ein Manuskript hinterließ, kam Bewegung in die Geschichte. Das Skript einer fiktiven Familien-Saga mit dem Titel "Die Sterkamps“ stammt von Rolf Maaß und schildert die Ereignisse von einst – mit verschlüsselten Namen. Bei Recherchen lernte Gisela den Historiker Swen Steinberg von der TU Dresden kennen. Er bekam den Nachlass und gab "Die Sterkamps“ heraus. "Ich wusste zuvor nichts über die Geschichte meiner Familie in Deutschland“, schrieb ihm Gisela Maaß. Obwohl sich beide nie persönlich begegnet sind, fühlen sie sich verbunden. "Die Bekanntschaft mit Gisela Maaß ist für mich wie ein Brückenschlag in die Geschichte“, schilderte Swen Steinberg.

Eine Ausstellung des Deutschen Gewerkschaftsbundes Sachsen erinnert an den Widerstand gegen die Zerschlagung der Gewerkschaften vor 80 Jahren. Erzählt werden bislang unveröffentlichte Details aus dem Leben von Rudolf Maaß, seinen Kollegen und erstmals auch von selbstbewussten Gewerkschafterinnen. "Wir wollen mit der Schau über den Widerstand der sächsischen Gewerkschaften zur Kultur der Erinnerung in Sachsen beitragen“, sagt Historiker Willy Buschak, der die Schau kuratiert hat. Viele Dokumente und Bilder auf den 20 Schautafeln sind erstmals außerhalb von Archiven zu sehen.

Prädikat: Unbedingt hingehen!
"Nicht mit uns! Sächsische Gewerkschaften im Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur"
11. bis 26. November 2013,
Montag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr, mittwochs geschlossen,
Lesesaal der Stadtbibliothek Weißwasser,
Straße des Friedens 14, 02943 Weißwasser.

Feierliche Eröffnung:
Montag, 11. November 2013, 10 Uhr,
Oberbürgermeister Torsten Pötzsch.
Interessierte Gäste sind herzlich eingeladen!

Kommentare Lesermeinungen (1)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Enkel von Rolf Maaß

Von Alan Nichols am 30.09.2014 - 19:24Uhr
Rolf Maass is my grandad, I regret I cannot (to my shame) speak German

Rolf Maaß ist mein Großvater, ich bedaure (zu meiner Schande), nicht deutsch zu sprechen.

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  • Quelle: red | Grafik: DGB
  • Erstellt am 06.11.2013 - 09:05Uhr | Zuletzt geändert am 06.11.2013 - 09:09Uhr
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