Wenig verwertbares Wissen für Existenzgründer und Jungunternehmer
Weißwasser/O.L. / Běła Woda, 1. November 2022. Von Thomas Beier. Noch immer wird versucht, mit hohem Aufwand – wie er erst durch öffentliche Förderung möglich wird – Leuten den Schritt in die berufliche Selbständigkeit zu ebnen. Das hat allerdings auch Schattenseiten.
Wenn Bildungsangebote eher bremsen als beschleunigen
Die Schattenseiten sind bedingt durch die Förderung von Projekten, die an beruflicher Selbständigkeit Interessierte zur unternehmerischen Existenz führen sollen. Um solchen Projekten eine Existenzberechtigung zu geben, werden nach erfolgreichem Förderantrag des Projektträgers reale Teilnehmer aus der Zielgruppe der Existenzgründungsinteressenten benötigt.
Doch wer von denen, die an ihre Geschäftsidee glauben und ernsthaft ein eigenes Unternehmen gründen wollen, lässt sich auf Bildungsangebote ein, die eher ausbremsen als beschleunigen? Damit gemeint ist der Zeitaufwand für das Wissen, das in den geförderten Seminaren, Workshops und Coachings vermittelt wird, aber kaum Wirkung entfaltet.
Dieses Schulungswissen lässt sich in vielen Fällen in drei Kategorien einteilen:
- Frei verfügbares Wissen, das man bei Bedarf binnen kurzer Zeit besser selbst nachlesen könnte, oftmals kostenlos und kompakt online. Dazu gehören etwa das Grundwissen über Rechtsformen, Versicherungen oder die notwendigen Angaben, die in einer Rechnung enthalten sein müssen.
- Formales Wissen, so beispielsweise die Preiskalkulation auf Basis der betrieblichen Kosten und des erwünschten Gewinns. Weggelassen wird dabei regelmäßig, wie gegebenenfalls niedrigere marktfähige Preise kalkuliert werden und wie man hochpreisige Segmente erobern kann; beides hat mit der Verknüpfung der harten Fakten der Betriebswirtschaft mit den weichen Faktoren der Markterschließungsstrategie zu tun.
- Unnützes Wissen (nice to know) wie etwa über öffentlich geförderte Investitionsprogramme, die auf ein konkretes Gründungsvorhaben in diesen Kreisen meist gar nicht zutreffen.
Ebenso wird oftmals vertieftes Wissen zu steuerlichen Rahmenbedingungen oder zur Buchhaltung vermittelt – Bereiche, die ein erfolgreicher Unternehmer gewöhnlich an einen Steuerberater delegiert. Zu wissen, worüber man mit seinem Steuerberater sprechen muss, ist aber viel wichtiger, als zu versuchen, sich das Wissen des Steuerberaters anzueignen.
Was außen vor bleibt
Die tatsächlichen Aspekte des unternehmerischen Daseins bleiben jedoch außen vor, wenn etwa suggeriert wird, durch das Schreiben von Angeboten oder clever geführte Verkaufsgespräche käme man zu Kunden und damit Einnahmen. Dass man es nicht mit Unternehmern zu tun hat, erkennt man leicht, wenn ein zu erwartender Marktanteil oder gar Bedarf ausgerechnet wird, auf dessen Grundlage die Kunden nun kaufen sollen.Die eigentlich spannenden Fragen bleiben regelmäßig unbeantwortet:
- Wie gestalte ich die Doppelstrategie, mit der ich möglichst schnell die "kritische Masse" an Kunden und Umsatz generiere, das Geschäft also tragfähig mache, und andererseits mir eine dauerhafte Existenz aufbauen kann?
- Wie steuere ich mein künftiges Unternehmen durch Krisenszenarien?
- Wie vermeide ich Selbstausbeutung und erreiche trotz der Belastungen als Unternehmer Lebensfreude?
Zu diesen drei Punkten – sie sind von existenzieller Bedeutung für aufzubauende Unternehmen – ließe sich ein dicker Wälzer schreiben, praktisch aber sind sie ein Beratungsthema, denn für den Wälzer hat verständlicherweise niemand Zeit.
Doch wie sieht die Realität aus? Statt sich auf ihre Unternehmensgründung zu konzentrieren, beginnen viele Existenzgründer aus Unsicherheit mit dem Netzwerken. In Gründernetzwerken treffen sie auf Leute in ähnlicher Situation, die also auch nicht so recht wissen… Das Experiment ist einfach: Man schlage drei faule Eier in die Pfanne und schaue, ob ein gutes Spiegelei entsteht.
Zeit als Investitionsfaktor
Der wichtigste Investitionsfaktor ist nicht Geld, sondern Zeit. Im Unternehmerdasein ist alles befristet: Ist es bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mit Erfolg erledigt, hätte man sich den Aufwand gleich sparen können. Geld lässt sich grundsätzlich immer beschaffen, solange man noch welches hat, also liquide – sprich zahlungsfähig – ist, Zeit hingegen nicht.Deshalb sollte man seine Zeit auf die erfolgskritischen Prozesse der Unternehmensführung konzentrieren und alles, was sich formal abarbeiten lässt oder nicht wirklich wichtig ist, an Mitarbeiter oder spezialisierte Dienstleister delegieren.
Zeit sparen und Fehler vermeiden
Natürlich kann man einen Finanzbuchhalter einstellen, aber die meisten Gründer dürften gut beraten sein, mit der Finanzbuchhaltung, der Umsatzsteuererklärung, der Lohnrechnung und dem Jahresabschluss einen Steuerberater zu beauftragen. Dadurch erspart man sich nicht nur die Zeit dafür, sondern auch Fehler und unter Umständen die häufigere Prüfung durch das Finanzamt. Das neigt dazu, Fehler zu vermuten, wenn kein Steuerberater eingeschaltet ist – und das oft völlig zu Recht.Ein anderer Bereich, der unter Umständen viel Zeit verschlingt, ist die Rechnungslegung, die Fakturierung. Auf den ersten Blick hält sich der Aufwand in Grenzen, kann aber schnell eskalieren, wenn Kunden zu säumigen Zahlern werden. Wenn Kunden nicht zahlen, führt das nicht nur zum Forderungsausfall, sondern bei Soll-Versteuerern wie etwa einer GmbH dazu, dass auf die nicht erhaltene Zahlung dennoch die Umsatzsteuer abzuführen ist. Wenn jetzt noch Kosten für ein Mahnverfahren oder eine Zahlungsklage entstehen und sich nach fruchtlosem Verlauf zum Schluss zeigt, dass kein Geld mehr zu holen ist, dann hat man schlechtem Geld noch viel gutes hinterhergeworfen.
Forderungen verkaufen schafft Liquidität und Kapazitäten
Ein vorbeugender Ausweg aus der übrigens auch mental belastenden Existenz offener Forderungen ist der Forderungsverkauf, das sogenannte Factoring. Im Grunde beruht Factoring darauf, dass ein Unternehmen eine Rechnung schreibt und die damit gegenüber einem Kunden erhobene Geldforderung an einen Factor verkauft. Der zahlt binnen kurzer Zeit einen Großteil der Forderung und kümmert sich selbst darum, das Geld vom Kunden zu holen.Im Einzelfall muss man schauen, wie man das Factoring gestalten kann, damit es – wie auf der verlinkten Webseite beschrieben – zum Unternehmen passt. Demnach ist in Deutschland das echte Factoring, bei dem der Factor das Zahlungsausfallrisiko übernimmt, besonders beliebt; beim unechten Factoring dagegen bleibt das Ausfallrisiko beim Rechnungsaussteller. Unterschiedlich geregelt wird in Factoringverträgen zudem etwa, ob alle oder nur einzelne Forderungen verkauft werden oder ob der Zahlungsverpflichtete überhaupt merken soll, dass Factoring im Spiel ist.
Imageschutz durch Factoring
Ein anderer Vorteil des Factorings wird manchmal zu wenig beachtet: Nicht nur, dass Unternehmen und Freiberufler dadurch von möglicherweise ausufernden Abläufen des Forderungsmanagements entlastet werden, es kann auch vor Imageschaden bewahren. Typisch ist etwa ein Arzt, der seine Forderungen, die er gegenüber Privatpatienten erhebt, sofort an einen Factoringanbieter verkauft. Zahlt der Kunde nicht, dann übernimmt der Factor das unangenehme Eintreibungsverfahren, der Arzt hingegen bleibt außen vor und läuft weniger Gefahr, in der öffentlichen Wahrnehmung – Stichwort Gerüchteküche – als gnadenlos und gierig zu erscheinen.Resümee
Eine Rundumbesohlung zu unternehmerischen Themen für Existenzgründungsinteressenten ist insbesondere für die Gründer selbst großenteils vertane Zeit. Besser ist es, hemmende Faktoren zu analysieren und nach Bedarf konzentriert auszuschalten. Die Beanspruchungen im Unternehmerleben sind so vielfältig und oft nicht vorausberechbar, dass eine vollständige Vorbereitung auf alle nur denkbaren Eventualitäten illusorisch ist. Wichtiger erscheinen strategische Überlegungen und die ständige Kalibrierung auf das richtige Maß zwischen Unbeirrtheit und Flexibilität sowie zwischen Risiko und Sicherheit.-
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- Quelle: Thomas Beier | Foto: geralt / Gerd Altmann, Pixabay License
- Erstellt am 01.11.2022 - 11:38Uhr | Zuletzt geändert am 01.11.2022 - 12:38Uhr
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