Crimpen statt Löten: Wenn Erlerntes an Bedeutung verliert

Crimpen statt Löten: Wenn Erlerntes an Bedeutung verliertWeißwasser/O.L. / Běła Woda, 27. Mai 2022. Von Thomas Beier. Wenn man ein wenig in die Jahre kommt, dann muss man hinnehmen, dass erworbene Fähigkeiten unter Umständen ziemlich wertlos werden. Das wurde mir schlagartig klar, als ich über das Wort "crimpen" stolperte. Worum es geht.

Abb.: Verzinnte Litzen sind im großen Umfang durch die Crimp-Technologie abgelöst worden
Foto: Ståle Freyer, Pixabay License
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Crimpen und Stecken haben die Elektroinstallation gründlich verändert

Crimpen und Stecken haben die Elektroinstallation gründlich verändert
Reihenklemmen mit Federanschluss: Das Kabel wird eingesteckt – fertig!
Foto: Bruno, Pixabay License

Eine Vorgeschichte

Vielleicht sollte ich an dieser Stelle einmal etwas weiter ausholen, aber ganz bestimmt nicht, um irgendwelcher "DDR"-Nostalgie zu frönen, sondern um zu beschreiben, wie es war und wie es ist. Im Grunde beginnt die Geschichte nämlich schon viel eher, im Jahr 1932. Da gab es mich und dieses seltsame Staatsgebilde "DDR", in das ich hineingeboren wurde, noch lange nicht, aber in der Stadt, in der ich aufwuchs, ein Hochwasser. Das hatte zur Folge, dass die sogenannte Kellerwohnung des Hauses, in dem wir wohnten, so sehr durchnässt wurde, dass sie für Wohnzwecke unbrauchbar wurde.

Ein Glücksumstand, denn sie diente von nun an einem anderen Zweck, nämlich als Werkstatt mit allerlei Maschinen und Werkzeugen für die Metall- und die Holzbearbeitung. Zunächst wurden die Maschinen mit einer richtigen Transmission angetrieben und erst zu Beginn der 1970er Jahre wurde auf Einzelantriebe modernisiert. Alles war hier möglich und wurde gemacht, Möbel gebaut, Autos repariert und auch vieles aus der Elektronik und Elektrotechnik wurde an konkreten Geräten, die repariert oder neu gebaut wurden, ganz nebenbei gelernt. Wer etwa einmal einen Stern-Dreieck-Schalter verdrahtet hat, sollte begriffen haben, wie die Drehstrom-Leitersysteme funktionieren – oder lieber die Finger davon lassen.

Jedenfalls waren mit dem Wissensvorsprung aus der Werkstatt die "DDR"-Schulfächer "Einführung in die sozialistische Produktion" (ESP) und "Unterricht in der Produktion" (UTP) quasi mit links zu beherrschen. Obgleich gerade im praktischen Produktionsunterricht die Schüler zum Rädchen im Getriebe der Planerfüllung wurden, lernte man doch vieles, was man zu Hause und später im Beruf brauchen konnte. Auf Schultreffen – sicher auch in Weißwasser – ranken sich viele Weißt-du-noch-Geschichten um diesen Teil der Schulzeit.

Was man einst können musste, ist heute gut zu können

So war es etwa möglich, einfache Installationsarbeiten in der Wohnung selbst zu erledigen – einen Kabelquerschnitt zu berechnen und wie eine Drahtöse zu biegen ist, das hatte man schließlich drauf! Oder eine Anschlussschnur anzufertigen oder zu reparieren, indem man erst die Litze fachgerecht verzinnte, ehe man den Stecker oder sein Gegenstück, die Kupplung, montierte. Als Litze bezeichnet man im Gegensatz zum Volldraht immer wieder biegsame Leitungen, wie etwa die typischen flexiblen Anschlussleitungen für Elektrogeräte, die zu diesem Zweck aus vielen einzelnen Adern bestehen.

Die Elektriker oder Elektroinstallateure der Gegenwart werden nun mit den Schultern zucken, weil genau diese Fähigkeiten zwar zu den Grundlagen gehören, aber eher selten gebraucht werden; statt zu Drahtösen gebogene Kabelenden zu verschrauben, arbeiten Elektriker heute meist mit Klemmverbindungen, für die wiederum unterschiedliche Technologien genutzt werden, die darauf hinauslaufen, dass das blanke und gerade Drahtende in eine Klemmaufnahme gesteckt wird.

Das Verzinnen von Litze hingegen ist heute durch das eingangs erwähnte Crimpen ersetzt – mit vielen Vorteilen. Beim Crimpen geht es darum, die einzelnen Leiter einer Litze in einer Hülse, der Aderendhülse, so zusammenzupressen, dass eine im Grunde unlösbare Verbindung entsteht, über die ein sehr guter elektrischer Kontakt zwischen den einzelnen Leitern der Litze und zur Hülse entsteht. Dass das schneller geht, als zu löten, liegt auf der Hand und ebenso, dass der Energieverbrauch für den Vorgang deutlich geringer ist.

Am Ball bleiben

Diese beiden scheinbar unbedeutenden Arbeitsgänge, nämlich Litze crimpen mit einer Zange statt die Litze zu verzinnen und Klemmverbindungen statt Ösen biegen stehen für einen technologischen Wandel, der Montagearbeiten in der Elektronik und Elektrotechnik revolutioniert hat und eine weitergehende Automatisierung erlaubt. Zugleich zeigt sich, dass bestimmte Fertigkeiten zwar noch immer benötigt werden, aber eher in den Hintergrund treten, anders gesagt: Jeder ist gut beraten, auf seinem beruflichen Fachgebiet ständig am Ball zu bleiben.

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  • Quelle: Thomas Beier | Foto Litzen: freyer / Ståle Freyer, Pixabay License
  • Erstellt am 27.05.2022 - 08:00Uhr | Zuletzt geändert am 27.05.2022 - 09:41Uhr
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