Polen – der Markt vor der Haustür

Polen – der Markt vor der HaustürMarkersdorf, 13. Januar 2021. Von Thomas Beier. Polen tickt anders – und das bringt Auswirkungen und Chancen für die deutsche Wirtschaft und auch für Privatpersonen. Wer die Nachrichten verfolgt, kann sich nicht des Gefühls erwehren, dass das wirtschaftlich erfolgreiche Land manchmal zu sehr nach deutschen Maßstäben geschulmeistert wird.

Abb.: Der polnische Markt, das sind 38 Millionen Verbraucher mit vielen noch unerfüllten Wünschen
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Chancen für Privatpersonen und die Wirtschaft

Chancen für Privatpersonen und die Wirtschaft
Der Schornstein des Kraftwerks Jaworzno III in Oberschlesien, das 1.345 Megawatt am Netz hat, ist 306 Meter hoch und damit der höchste in Polen
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Jüngstes Beispiel dafür, dass in Polen manches völlig anders läuft: Während in Deutschland trotz enorm gestiegener Preise Kraftstoffe fröhlich mit immer neuen und bei der Kohlendioxidabgabe prozentual steigenden Abgaben beaufschlagt werden, hat Polen Abgaben auf Kraftstoffe zunächst bis Mai 2022 gestrichen, damit diese erschwinglich bleiben. Aus deutscher Sicht kostet der Liter Kraftstoff dann schon mal 25 bis 30 Cent weniger, was den Tanktourismus wieder angekurbelt hat. Die Baumärkte freuen sich über den Absatz von 10- und 20-Liter-Kanistern; mit zwei Füllungen hat sich die Investition amortisiert.

Hervorragende Rahmenbedingungen für Unternehmen

Abgesehen von solchen im wahrsten Sinne des Wortes privatwirtschaftlichen Aktivitäten bietet der Markt in Polen für deutsche Unternehmen Chancen, wie sie in Deutschland rar geworden sind. An erster Stelle hervorzuheben ist der unbedingte Erwerbswille der allermeisten Polen. Sie sind in ganz Europa als versierte Handwerker geschätzt, die für ihren Arbeitsplatz teils erhebliche Anreisestrecken und die zeitweise Trennung von ihrer Familie in Kauf nehmen.

Überhaupt darf man die Polen als bildungswütig bezeichnen und Schulen wie auch Hochschulen sind hoch entwickelt. Es ist kein Wunder, dass die besten Mathematiker im Ostblock an der Universität Warschau studiert haben.

Eine Besonderheit ist die Kleinteiligkeit der polnischen Wirtschaft: Klein- und Kleinstbetriebe erbringen flexibel ihre Leistungen zu günstigen Preisen. Die polnische Wirtschaft wächst um jährlich ungefähr fünf Prozent, was für eine anhaltende Inlandsnachfrage sorgt. Sonderwirtschaftszonen geben Investoren auch aus Deutschland interessante steuerliche Rahmenbedingungen. Also alles bestens?

Was hält ab von Polen?

Bei allen außerordentlich günstigen Rahmenbedingungen gibt es jedoch auch Punkte, die deutsche Unternehmen noch zögern lassen, wenn es um ein Engagement in Polen geht. Von Deutschland aus ist es halt schwierig, die richtigen Partner zu finden. Außerdem gibt es Unterschiede im Rechtssystem, den den Steuern und im Arbeitsrecht.

Geht es um die Gründung einer Niederlassung oder will man überhaupt eine erfolgreiche Firmengründung in Polen vorbereiten, so erscheint das ohne zuverlässige und erfahrene Dienstleister vor Ort nahezu unmöglich. Die braucht man auch für den Vertrieb in Polen, wo es ein klar strukturiertes Handelssystem wie in Deutschland nicht gibt.

Geschäftsanbahnung in Polen: keine formale Angelegenheit

Wer als deutscher Berater im Polengeschäft nur ein wenig Erfahrung hat, kennt zudem die Eigenheiten polnischer Unternehmer und Manager, die sich teils deutlich von den deutschen Gepflogenheiten unterscheiden. Ein Beispiel: Wenn man als deutsches Unternehmen in Polen eine Teminanfrage für einen Besuch stellt, kann es durchaus sein, dass diese nicht beantwortet wird. Den Termin kann man trotzdem wahrnehmen, der polnische Partner wird vorbereitet sein – nur das große Hin und Her, bevor vielleicht wirklich oder eben nichts losgeht, das mag man offenkundig in Polen nicht so sehr.

Was man aber mag, ist erst einmal eine persönliche Ebene herzustellen, ehe man zum Geschäft kommt. Wenn ein deutsches Unternehmen meint, das sei unnützer Aufwand und gleich mit der Tür ins Haus fällt, dann war genau das der unnütze Aufwand.

Tipps:
    • Zum ersten Gespräch ein Familienfoto einstecken oder eins aus dem Verein. Wer sich als familiär, bodenständig und berechenbar erweist, findet schneller einen Draht zu seinem polnischen Gegenüber. Auch ein paar Hintergrundkenntnisse aus der polnischen Geschichte sind kein Fehler.
    • Das "Markterschließungsprogramm KMU" des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhr (BAFA) unterstützt bei der Markterschließung im Ausland. Darüber hinaus gibt es spezielle Exportinitiativen.

Dass die Polen gute Geschäftsleute sind und wirklich gern Geschäfte machen, ist allgemein bekannt. Bei absolut neuen Kontakten sind die Gesprächsvorbereitung und Begleitung durch einen erfahrenen Berater, möglichst einen polnischen Muttersprachler, jedoch anzuraten: Wie überall auf der Welt ist die Bandbreite der Möglichkeiten, wie ein Geschäft abläuft, groß. Mancher legt ein Geschäft langfristig an, ein anderer wittert das schnelle Geld. Bei manchem kann man sich auf den Handschlag verlassen, andere wiederum finden stets neue Probleme, warum etwas Zugesagtes nicht klappt. Auch im Geschäftsleben hat man es schließlich immer mit Menschen zu tun – und die sind halt unterschiedlich.

Allerdings finden sich in Polen viele leistungsfähige Betriebe mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die auch international erfahren sind und perfekt Englisch sprechen. Deutsch hingegen hat im Zuge der Internationalisierung der Wirtschaftsbeziehungen an Bedeutung verloren. Wer aus Ostdeutschland kommt und auf seine Russischkenntnisse setzen will, sollte das grundsätzlich lieber lassen. Das polnisch-russische Verhältnis hat vor allem unter der Sowjetmacht heftig gelitten, obgleich man sich doch nach 1945 als “sozialistische Bruderstaaten” ausgab.

Möglicherweise sind es ja tiefsitzende Vorurteile und zugleich die ungewohnte Weltgewandheit der Polen ein Grund dafür, dass selbst in der Wirtschaftsregion Weißwasser, die unmittelbar an Polen grenzt, die Potentiale des polnischen Marktes längst nicht ausgereizt sind. Die Landkreisverwaltungen auf deutscher und polnischer Seite allerdings arbeiten sehr gut zusammen und für gut gebildete junge Leute existiert die Grenze entlang von Lausitzer Neiße und Oder im Grunde überhaupt nicht mehr.

Polen kennenlernen

Vielleicht sollte, wer in Polen geschäftlich aktiv werden möchte, das Land erst einmal bereisen und Eindrücke sammeln. Leute kennenzulernen ist in Polen nicht schwierig, man stößt auf viel Offenherzigkeit und immer wieder auch auf die angenehme Fähigkeit, über Vorurteile und Klischees zu lachen. Da kann man sich getrost eine Scheibe abschneiden und beispielsweise über die manchmal an Absurdität grenzende "deutsche Pünktlichkeit" mitlachen.

Etwas spezifischer geht es zu, wenn man an einer Geschäftsanbahnungsreise nach Polen teilnimmt, wie sie etwa im Oktober 2021 von der polnischen Außenhandelskammer im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie organisiert wurde. Hier hat man den Vorteil, einen Blick hinter die Kulissen werfen zu können und an Zusammenarbeit interessierte Ansprechpartner bei gut vorbereiteten Terminen kennenzulernen.

Kulturzuschlag:
Polen am Bau

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  • Quelle: Thomas Beier | Fotos: © BeierMedia.de
  • Erstellt am 13.01.2022 - 15:47Uhr | Zuletzt geändert am 13.01.2022 - 16:29Uhr
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