Veranstaltung für Existenzgründer in Weißwasser abgesagt
Weißwasser / Běła Woda, 3. März 2020. Die Industrie- und Handelskammer hat ihre für den 5. März 2020 in Weißwasser geplante kostenlose Veranstaltung "Kein Netz und doppelter Boden – Damit Sie erfolgreich durchstarten" wegen zu geringer Nachfrage abgesagt. Das macht nachdenklich.
Gründer brauchen zugeschnittene Beratung
Dabei ist doch das Thema der Veranstaltung zutreffend gewählt gewesen: Zum erfolgreichen Durchstarten ist man geradezu gezwungen, wenn es weder Netz noch doppelten Boden gibt, um den frischgebackenen Unternehmer wieder aufzufangen. In Zeiten des einsetzenden wirtschaftlichen Wandels, gekennzeichnet vom Abschied von der Braunkohle und der umfassenden Digitalisierung, und dessen Folgen für die Arbeitswelt sollte wirtschaftliche Selbständigkeit und damit zumindest die weitgehende Unabhängigkeit vom Arbeitsmarkt für viele interessant sein. Weshalb also das Desinteresse?
Inhaltlich setzte die Veranstaltung wohl am falschen Punkt an: Eine Angestellte des Gründer Service der IHK Dresden – deren unzweifelhafte Kompetenz in allen Ehren – soll unternehmerisches Denken und Handeln vermitteln? Unterstützung bei der Fördermittelrecherche und bei Finanzierungvorschlägen verspricht die IHK. Außerdem war ein Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater abgekündigt, der sich "täglich mit Businessplänen, Rentabilitäts- und Liquiditätsvorschauen" sowie Investitions- und Finanzierungsplanung beschäftigt. Sicher sollte ein angehender Unternehmer von all dem gehört haben, hilft es ihm aber, seine brennendsten Probleme zu lösen? Vielleicht haben ja viele bereits Veranstaltungen, in denen vor allem Förder- und Finanzierungsprogramme, die sich leicht online recherchieren lassen, vorgestellt wurden, ertragen müssen und sind nun entsprechend veranstaltungsmüde.
Alles Formalitäten?
Unternehmensberater Thomas Beier, der selbst viele Jahre lang Seminare für Existenzgründer in Bad Muskau und an anderen Orten im Landkreis Görlitz durchgeführt und dabei weit über tausend Existenzgründungsinteressenten informiert und geschult hat, gehen die meisten Veranstaltungen zum Thema Existenzgründung am Knackpunkt vorbei. "Der wichtigste Punkt bei der Vorbereitung einer Existenzgründung ist es, den Marktzugang zu sichern", meint der erfahrene Berater und erläutert: "Ein Unternehmer muss immer jemanden finden, der ihm für das, was er leisten kann und will, freiwillig Geld gibt." Gemeint sind Kunden, ohne die alles, was in Veranstaltungen wie der jetzt abgesagten vermittelt wird, nicht weiterhilft. Beier beschreibt das so: "Beim Blick auf die Rentabilitätsvorschau ist meine erste Frage, wie – und zwar ganz genau – die Einnahmen entstehen. Sind diese in ausreichender Höhe gesichert, sinkt das Risiko, das aus Kosten und Investitionen resultieren kann." In der Praxis gebe immer wieder Gründungskonzepte, die zwar höchst detaillierte Planungen enthalten, aber die alles entscheidende Frage, wie die Kunden erreicht werden und schließlich Einnahmen entstehen, nicht beantworten.Vor diesem Hintergrund hat sich Beier seit seinem Start als Freiberufler im Jahr 1994 immer wieder mit unternehmerischen Strategien für gesättigte Märkte beschäftigt. Seine Erfahrung: "Es ist völlig naiv zu glauben, man müsse nur einen guten Businessplan haben und ein gutes Angebot machen, dann würden die Kunden schon zugreifen." Sowohl im B2B wie auch im B2C Bereich (also beim Verkauf an Geschäfts- oder Privatkunden) gebe es unterschiedliche Strategien, um Interessenten zu finden und schließlich als Kunden zu gewinnen. "Außerdem hängt die Markterschließungsstrategie vom Lebensalter eines Unternehmens und nicht zuletzt des Unternehmers ab", so Beier weiter, "die Vorgehensweise eines Startups muss sich oftmals von der nach einigen Jahren unterscheiden, auch darin, was und wie angeboten wird." Wer vordenkt, wobei ein erfahrener Unternehmer als Berater oft hilfreich sei, könne die besseren Entwscheidungen treffen.
Von "Finger weg!" bis "Sofort loslegen!"
Aus seinen Erfahrungen hat Beier, der neben seiner Freiberuflichkeit als Unternehmensberater auch einen Gewerbebetrieb führt, einen computergestützten Plausibilitätstest für Unternehmens- bzw. Existenzgründungen entwickelt, der eine schnelle Bewertung für viele Gründungsvorhaben erlaubt. Hier fließen harte und zudem viele weiche Faktoren ein, im Ergebnis entsteht eine Aussage, deren Spektrum im übertragenen Sinne von "Finger weg!" bis "Sofort loslegen!" reicht. "Selbstverständlich wird nach Risikofaktoren und Chancen in Gegenwart und Zukunft differenziert", so Beier. Zeige sich, dass ein Vorhaben schon an formalen Zusammenhängen wie fehlenden zeitlichen Kapazitätzen oder zu geringem Ertragspotenzial scheitere, könne man sich viel Aufwand und teures Lehrgeld sparen. Erst wenn nachgewiesen ist, dass die Gründungsidee aussichtsreich ist und sich ein Marktzugang gestalten lässt, sind die wichtigsten Grundlagen für ein Unternehmenskonzept, die Geschäftplanung und die Finanzierung gelegt. "Ist die Plausibilität des Grundungsvorhabens nachgewiesen, wird die anschließende Gestaltung des Unternehmens viel einfacher", sagt Beier. Auch die bei der Beantragung von Krediten und Fördermitteln unvemeidliche Bürokratie sei dann eher ein formales Abarbeiten. "Allerdings sollte man bedenken, dass man ein Unternehmen nicht durch Fördermittel am Leben halten kann", gibt Beier noch zu bedenken, "es muss im Grunde auch ohne funktionieren." Es könne sogar sein, dass Fördermittel eher hinderlich sind, etwa durch Zweckbestimmung oder umfangreiche Nachweispflichten; auf jeden Fall müsse sich ein Unternehmen am Markt und nicht an Förderprogrammen ausrichten.Den Plausibilitätstest bereitet Beier vor, erstellt ihn aber dann live, also gemeinsam mit dem Interessenten, der anschließend das Ergebnis schwarz auf weiß erhält. Diese gemeinsame Arbeit mit dem Mandanten ist Beier wichtig, schließlich sei dieser der Unternehmer und müsse verinnerlichen, worum es geht und auch, was die Konsequenzen für das Privatleben und die Familie sind. Insgesamt kostet so ein Plausibilitätstest je nach Aufwand meist zwischen 600 und 800 Euro, es sei denn, es wird sehr schnell klar, dass ein Vorhaben gar nicht umsetzbar oder gestaltbar ist. Fördermittel gibt es dafür nicht – und sind auch nicht gewollt. Aus der geförderten Unternehmensberatung hat sich Beier seit langem verabschiedet: "Zum einen haben Kunden Betriebsgrößen erreicht, die eine Förderung ausschließen, zum anderen haben geförderte Unternehmensberatungen im Gründungsbereich den Nachteil, dass der Gründer mit seinem Eigenanteil vieles mitbezahlt, was er selber längst weiß." Ein Beratungsbericht, der nur das Wissen des Gründers und weitgehend standardisierte Textbausteine, vielleicht ein wenig individualisiert, wiedergibt, habe wenig Wert und werde oft genug vom Gründer nicht einmal gründlich durchgelesen. Vor diesem Hintergrund sei eine zugeschnittene Beratungsleistung, die neben den notwendigen an ganz praktischen Punkten ansetze, nach seiner Erfahrung durchaus effizienter.
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- Quelle: red/TEB | Foto: bertholdbrodersen, Pixabay License, Bild bearbeitet
- Erstellt am 03.03.2020 - 09:59Uhr | Zuletzt geändert am 11.03.2022 - 18:59Uhr
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