Alles dringend und wichtig?

Alles dringend und wichtig?Weißwasser/O.L. / Běła Woda, 17. Juni 2022. Von Thomas Beier. Es gibt Leute, denen erscheinen ihre Anliegen immer höchst dringend und besonders wichtig. Davon abgesehen, dass sie dabei oftmals beides nicht unterscheiden, weckt man durchaus Aggressionen, wenn man ihnen sagt: Weder noch.

Abb.: Für Kinder ist es extrem wichtig, geliebt zu werden
Foto: Frauke Riether, Pixabay License
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Die einen sagen so, die anderen sagen so

Bei der Bewertung eines Anliegens, ob es nun dringend oder wichtig oder vielleicht sogar beides ist, spielt vor allem bei der Wichtigkeit die Perspektive eine entscheidende Rolle: Was dem einen wichtig ist, ist es dem anderen noch lange nicht.

Wer hingegen nicht alles als dringend ansieht oder vielleicht wie bei einer probeweisen Bewerbung um einen Arbeitsplatz etwas ohne den Erfolgsdruck einer Notsituation ausprobiert, hat mehr Zeit, Erfahrungen zu sammeln. Stuft man die Dringlichkeit herunter, kann Probleme und Anforderungen aussitzen und darauf spekulieren, dass sich Dinge von selbst erledigen oder zumindest soweit an Relevanz verlieren, dass die Beschäftigung damit keinen Sinn mehr ergibt. “Abwarten und Tee trinken”, sagt der Volksmund zu dieser Strategie.

Andererseits kann es vorteilhaft sein, alle anstehenden Aufgaben quasi just in time sofort zu bearbeiten und keinen Stau aufkommen zu lassen. Wie man vorgeht, hängt immer wieder von persönlichen Eigenheiten und äußeren Umständen ab. Nachdem nun alle Klarheiten beseitigt sind, können wir uns dem Thema anhand des Beispiels der Redaktionsarbeit nähern.

Methoden aus der analogen Pressewelt funktionieren nicht mehr

Gestern war wieder so ein Tag: In der Redaktion der Regional Magazin Gruppe, speziell beim Görlitzer Anzeiger, prasselten die Veranstaltungsankündigungen herein, oft genug verbunden mit der überaus herzlichen Bitte, diese termingerecht zu veröffentlichen oder gar die Veranstaltung zu bewerben – kostenfrei, versteht sich. Dieser Anspruch erlaubt es, die Zusammenhänge von dringend und wichtig und die Perspektive darauf einmal zu illustrieren.

Dringend…

Zweifelsohne ist eine Veranstaltungsankündigung in gewisser Weise immer dringend, denn wartet man damit bis zum Veranstaltungstermin, kann man sich die Mühe sparen.

…und wichtig?

Die Frage der Wichtigkeit ist hingegen eine ganz andere: Für den Veranstalter ist es wichtig, seine Veranstaltung öffentlichkeitswirksam anzukündigen, denn ohne mögliche Teilnehmer zu erreichen und zu gewinnen, wäre der Aufwand vergebens.

Nun der Perspektivwechsel: Für die Redaktion ist es überhaupt nicht wichtig, die Veranstaltung zu bearbeiten und zu veröffentlichen. Redaktionsarbeit kostet Geld, etwa für Technik, Räume und Gehalt. Kostenlose Veröffentlichung bedeutet also, jemand anderes soll die Kosten tragen; direkt trifft das die Redaktion, indirekt die Werbekunden, die für ihre Werbung bezahlen. Letztendlich sind diese Werbekunden die Dummen: Sie zahlen für ihre Werbung und finanzieren die Trittbrettfahrer mit, fair ist das nicht.

Mitfinanzieren und zum Dank kostenlos arbeiten

Wenn wir schon einmal bei den Trittbrettfahrern sind: Besonders ärgerlich ist es für Unternehmer, wenn Einrichtungen, deren einziger Daseinszweck es ist, Projekte auszuhecken, die dann auch mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, mit Nachdruck kostenlose Ankündigen erwarten. Erst finanziert man als Unternehmen mit seiner nicht geringen Steuerlast diese Erscheinungen mit und dann darf man für jene, die davon profitieren, kostenlos arbeiten? Ganz paradox wird es, wenn Presseagenturen beauftragt – sprich bezahlt – werden, um Ankündigungen kostenfrei in der Presse unterzubringen.

Digital läuft das anders

Das Denken, das hinter diesen Vorgehensweisen steht, stammt aus der alten analogen Pressewelt, als Zeitungen ausschließlich auf Papier gedruckt erschienen, noch viele Abonnenten hatten und der Werbemarkt noch nicht großenteils in den Onlinebereich abgewandert war. Damit die Zeitung abonniert und gelesen wurde und damit die enthaltenen Werbeanzeigen für die Werbekunden wirksam wurden, war sie auf Inhalte – heute sagt man Content – angewiesen. Da war es nur recht, wenn Ankündigungen geliefert wurden und man damit das Papier ein Stück weit vollbekam. Das hat sich arg gewandelt.

Vor diesem Hintergrund schauen heutzutage wohl alle Redaktionen recht genau hin, wenn jemand mit Ankündigungen irgendwelche Veranstaltungen bewerben möchte. Der Grundsatz ist: Werbung kostet Geld und nur naive Gemüter wundern sich, wenn sie um die Bewerbung ihrer Veranstaltung bitten und dann ein Angebot erhalten. Merke: Wenn etwas wirklich wichtig ist, dann ist es auch etwas wert. Allerdings entscheidet im Einzelfall die Redaktion, ob eine Ankündigung Werbung ist oder nicht, etwa wenn es einen Neuigkeitswert oder besondere Relevanz gibt.

Wie dringend ist es denn?

Noch einmal zur Dringlichkeit: Natürlich arbeitet jede Redaktion mit einem Redaktionsplan, in den wichtige Themen aufgenommen werden. Selbstverständlich bleibt noch Kapazität für Ad-hoc-Themen, aber größere Projekte, vor allem, wenn mehrere Personen beteiligt sind und Technikressourcen benötigt werden, müssen geplant werden. Während in kleineren Redaktionen vieles in Personalunion erfolgt, etwa Text und Bild in einer Hand liegen, gehen große Redaktionen weit spezialisierter vor. Dann müssen Kapazitäten und Termine so geplant werden, dass alle Zuarbeiten für einen Beitrag pünktlich fertig sind.

Was sich einfach anhört, wird in der Praxis schnell zu komplexen Angelegenheit, denn ein Arbeitsplan ist eben ein Plan, der von der Praxis gekippt werden kann, weil vielleicht Technik oder jemand wegen Krankheit ausfällt. Um die arbeitsteiligen Beziehungen und die Nutzung von Ressourcen steuern zu können, muss man mit einer Software Arbeitspläne erstellen und optimieren. Eine immer wichtigere Rolle spielt dabei übrigens die Einhaltung arbeitsrechtlicher Vorgaben. Wirtschaftlich interessant sind softwaregestützte Arbeitspläne nicht nur, weil die Ressourcennutzung konfliktfrei geplant werden kann, sondern auch frei werdende Kapazitäten einfließen, wenn etwa ein Einzelprojekt weniger Aufwand erforderte als ursprünglich gedacht.

Unterm Strich

Besonders bei Terminangelegenheiten lässt sich die Dringlichkeit gut planen: Entweder man schafft es rechtzeitig oder man kann’s lassen. Wirklich wichtig ist allerdings das meiste, was sich jemand vornimmt, nicht. So tappen viele in das, was wir bei Beier Consulting als die Wichtigkeitsfalle nennen: Mitarbeiter setzen sich Druck und Stress aus, weil sie aber auch alles als überaus wichtig ansehen.

Vielleicht bringt es dieses Beispiel, das eine Kollegin gern zitiert, am besten auf den Punkt: Wenn sie vor ihrem brennenden Haus stehen, in dem sich niemand mehr aufhält, ist es dann dringend oder wichtig, die Feuerwehr zu rufen? Auf jeden Fall ist es dringend, sonst wird der Schaden immer größer oder man braucht sie gar nicht mehr zu rufen, aber wirklich wichtig ist es nicht – das Leben geht auch ohne Haus weiter. Und vielleicht trägt die Brandschutzversicherung sogar dazu bei, ein noch schöneres Haus zu bauen.

Wirklich wichtig ist, sein Leben so zu leben, wie man es will und nicht angesichts des nahenden Todes sagen zu müssen: Aber ich habe doch noch gar nicht gelebt.

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  • Quelle: Thomas Beier | Foto: neelam279 / Frauke Riether, Pixabay License
  • Erstellt am 17.06.2022 - 08:29Uhr | Zuletzt geändert am 17.06.2022 - 09:04Uhr
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