Gesetze, bei denen es große Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedsstaaten gibt

Gesetze, bei denen es große Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedsstaaten gibtWeißwasser / Běła Woda, 29. Januar 2020. Schnell mal von Weißwasser nach Lugknitz (Łęknica / Wjeska) oder weiter nach Sorau (Żary / Žarow): Auch wenn sich Äußerlichkeiten und die Sprache ändern, eine Grenze spürt man längst nicht mehr. Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Dreiländerregion der Oberlausitz jedes Land noch immer sein eigenes Rechtssystem und seine eigenen Gesetze hat.

Polen ist nur einen Katzensprung entfernt – und dennoch, auch rechtlich gesehen, eine andere Welt
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Nationales Recht bestimmt weiterhin große Teile des Alltags

Nationales Recht bestimmt weiterhin große Teile des Alltags
Schnell mal zur Tanke wie hier in Zgorzelec? Längst kommt man sich nicht mehr wie im Ausland vor, doch rechtlich gesehen ist es so
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Die EU soll für Gemeinschaft sorgen, was auch für viele Bereiche zutrifft. Die Frage ist jedoch: Wie viel Einfluss hat die EU auf die Gesetze der Länder? Dazu kann man sagen, dass dies von dem jeweiligen Thema abhängt. Wenn es um den internationalen Einfluss geht, ist es wohl so, dass gemäß dem Vertrag von Lissabon die EU zum Beispiel in der Außenhandelspolitik völlig eigenständig arbeiten und Gesetze erlassen kann; die nationalen Gesetze sollen da nicht gelten. Das bedeutet beispielsweise, dass kein EU-Mitgliedland auf eigene Kappe ein Freihandelsabkommen abschließen darf. Wenn es allerdings um eine geteilte Zuständigkeit geht, wie es etwa beim Verbraucherschutz ist, muss die EU nicht eingreifen, könnte es aber. Wenn sie tätig wird, haben ihre Gesetze wie beispielsweise Verordnungen Vorrang vor denen der Mitgliedsstaaten. Dann gibt es noch den Bereich, in dem die EU nur unterstützend tätig werden kann und darf, das können beispielsweise sehr sensible Bereiche der Kultur sein.

Die EU-Gesetze können gleichermaßen für Staaten und Bürger gelten. Im EU-Recht sind Normen vorgesehen, die die Arbeit von EU-Organen regeln. Dann existieren auch Normen, die das Leben in den jeweiligen Mitgliedsländern beeinflussen. Das sind dann zum Beispiel das EU-Zollrecht, EU-Umweltrecht, EU-Verkehrsrecht, EU-Steuerrecht und noch einiges mehr. Der Europäische Gerichtshof sagt, dass das EU-Recht gegenüber den nationalen Gesetzgebungen von Mitgliedsstaaten Priorität hat. Wenn also der Fall eintritt, dass es sozusagen zu einer Kollision zwischen nationalem und EU-Recht kommt, dann gelten die EU-Vorgaben und nicht die nationalen Rechtsnormen. Die Europäische Union möchte, wie jedes andere Bündnis auch, Einheitlichkeit und standardisiert deswegen unterschiedliche Lebensbereiche. Das können in Restaurants Hinweise auf allergieauslösende Inhaltsstoffe in Gerichten sein (Stoffe wie zum Beispiel Eier, Nüsse, Gluten oder Laktose). Auch für Kondome gibt es eine Norm und jedes Exemplar soll elektronisch geprüft werden. Manchem EU-Bürger geht der Trend zur Vereinheitlichung jedoch zu weit und der Nutzen wird bei manchen Vorgaben angezweifelt – dennoch: Unterm Strich sind gleichartige Regelungen in allen Mitgliedsstaaten grundsätzlich eine Vereinfachung.

Unterschiede in vielen Bereichen

Aber wie es nun mal in vielen vergleichbaren Bereichen so ist, herrscht auch in der EU Uneinheitlichkeit in verschiedenen Rechts-und Normierungsbereichen. Hier kann man als erstes Beispiel das Tempolimit auf den Straßen nennen. Dieses wird nach wie vor unterschiedlich von Mitgliedsland zu Mitgliedsland gehandhabt. So kann in den Mitgliedsstaaten das Tempolimit für Pkw auf Autobahnen zwischen 80 und 130 km/h liegen und nur Deutschland hat – so wie beispielsweise Afghanistan, Haiti, Nepal, Nordkorea und Somalia – kein generelles Tempolimit. Auch innerorts, außerorts und auf Kraftfahrstraßen kann es innerhalb der EU von Land zu Land Abweichungen geben.

Wer meint, in Deutschland illegale Drogen seien in einzelnen EU-Ländern unter bestimmten Bedingungen legal, ist gefährlich auf dem Holzweg unterwegs. So gilt Tschechien als liberal in der Drogenpolitik, was ein weitgehender Irrtum ist. Dieser Irrtum basiert auf der tschechischen Eigenbedarfsregelung, die den Besitz kleiner Mengen innerhalb enger Grenzen nur als Ordnungswidrigkeit und nicht als Straftat einstuft – dennoch ist damit der Drogenbesitz in Tschechien nicht legal und wird auch bei kleinen Mengen bestraft. Bei Besitz von größeren Mengen als jene, die als nicht gering definiert sind, droht sogar Freiheitsentzug, auch bei THC-haltigen Drogen wie Haschisch und Marihuana. Der Handel mit illegalen Drogen wird in Tschechien immer als Straftat gewertet. Auch wenn sich die Einstellungen in der Gesellschaft verändern, muss selbst auch dann, wenn es um den Handel und den Konsum mit nur vermeintlich harmlosem Cannabis geht, die Cannabis-Gesetzeslage beachtet werden – und die ist nicht in jedem EU-Staat identisch. Es wird sogar recht unterschiedlich mit diesem Thema umgegangen: Hier gibt es Länder mit sehr klaren und und strengen Regelungen wie etwa Frankreich, während andere im nicht wirklich zutreffenden Ruf stehen, liberaler zu sein, so beispielsweise die Niederlande, wo eine straffreie Duldung des Cannabisbesitzes in bestimmten Grenzen noch lange keine Legalisierung darstellt.

Aber auch die Maut wird in der Europäischen Union unterschiedlich gehandhabt. In neun Ländern gibt es eine streckenbezogene Maut: Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Kroatien, Polen, Portugal und Spanien. Hier werden Autofahrer mit einer Gebühr für die zurückgelegten Kilometer belastet. In weiteren acht europäischen Ländern benötigen Autofahrer sowohl für Autobahnfahrten als ggf. auch für Fahrten auf Schnellstraßen eine Vignette, das betrifft Bulgarien, Österreich, Rumänien, die Schweiz, die Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn. Dabei gelten die Vignetten unterschiedlich lange und sind entsprechend preislich gestaffelt. Es gibt sogar Länder mit einer Sondermaut für Brücken, Tunnel und Pässe. Dazu zählen zum Beispiel Österreich, die Schweiz, Italien, Frankreich, Dänemark und Schweden.

Noch ist Ausland Ausland

Bei allen Erleichterungen, die die EU und insbesondere das Schengen-Abkommen mit sich bringen, sollte man die alte Weisheit "Andere Länder – anderer Sitten!" nicht vergessen und auch auf Gesetze und Vorschriften beziehen. Wer beispielsweise in Polen mit mehr als null Promille Alkohol im Blut ertappt wird, findet sich sehr schnell in einer Gefängniszelle wieder. Überhaupt fallen die Strafen bei Verstoß gegen die Vorschriften im Straßenverkehr, etwa bei Geschwindigkeitsübertretungen, außerhalb Deutschlands meist deutlich drastischer aus. Es schadet also nicht, sich auf einschlägigen Webseiten oder in anderen Quellen über die im Ausland geltenden Rechtsvorschriften zu informieren.

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  • Quelle: red | Fotos: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 29.01.2020 - 06:21Uhr | Zuletzt geändert am 03.08.2020 - 12:50Uhr
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